Als "Gestohlene Generation" werden jene Aboriginalkinder bezeichnet, die etwa zwischen 1900 und 1972 von Wohlfahrtsorganisationen der australischen Regierung und der Kirchen ihren Eltern weggenommen wurden. Die offizielle Begründung für das Vorgehen war, dass es besser für die Kinder sei, von weißen Familien oder Kirchen erzogen zu werden, als bei den Eltern in der "Wildnis" in vermeintlicher "Armut" zu leben.
Heute wird diese Verschleppung oft als Zwangsassimilation bezeichnet. Ziel war wohl die ethnische Identität der Ureinwohner zu zerstören. Obwohl Kinder in einigen Fällen auch freiwillig abgegeben wurden, oft weil sich die Eltern überfordert sahen, für diese zu sorgen, wurden die meisten zwangsweise und oft unter Anwendung von roher Gewalt ihren Familien entrissen. Die Frage, ob dies zum Wohle der Kinder geschah oder die Praxis ein rassistisch motivierter Verstoß gegen Menschenrechte war, wird in Australien nach wie vor heftig diskutiert.
Nach einer Schätzung der früheren Regierung wurden etwa 35.000 Kinder ihren Familien weggenommen. Diese Zahl wird mangels Dokumentation von verschiedener Seite angezweifelt und könnte um ein Mehrfaches höher liegen. Man geht im Allgemeinen von etwa 70.000 Fällen aus. Einzelne Experten glauben sogar, dass etwa 10 bis 30 Prozent aller Ureinwohnerkinder in den siebziger Jahren verschleppt wurden.
Laut den Betroffenen richtete die Zwangswegnahme gewaltige kulturelle Schäden an, zerriss zahllose Familien und hinterließ eine Generation traumatisierter Menschen. Man kann sich kaum vorstellen, dass diese Zwangsassimilation bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts üblich war. Ums unverständlicher ist es, wenn sich bis heute die australische Regierung weigert sich bei den Ureinwohnern zu entschuldigen und wenigstens zu versuchen das verursachte Leid zu kompensieren. Wenigstens unterstützt die Regierung jetzt einige Gruppen, die sich der Familienzusammenführung annehmen.
Auch dies ist wieder einmal ein Beispiel für den leider weitverbreiteten Rassismus in Australien. Denn leider kann man auch heute noch von der weißen australischen Bevölkerung oft Aussagen wie „Das war doch nur zu deren Wohl“ und ähnliches hören.
OzBus Reporter
Isabelle Hiestand unterwegs mit dem OzBus von London nach Sydney. Sie berichtet täglich aus dem OzBus.