So trudelten wir mit 100 Kmh auf einen flachen Horizont mit tiefblauem Himmel, den ganz vereinzelt kleine weiße Wölkchen auflockerten, nach Süden. Nur ein kleines unbedeutendes Schild (ohne Swagman) wies den Weg zum Combo Waterhole. An diesem Billabong, 10 Kilometer von der Strasse entfernt, wurde angeblich bei einem Besuch der 1890 erbauten Dagworth Station um Weihnachten 1894 Andrew Barton Paterson die „Story“ erzählt: Paterson war Journalist und Anwalt. Als Kriegsberichterstatter stand er oft an irgendwelchen Fronten, während des Burenkriegs in Südafrika oder in China zur Zeit des Boxeraufstandes, und überall dort, wo es schwelte im Inneren der australischen Gesellschaft. Wegen seiner ziemlich spitzen Kommentare hatte er nicht nur Freunde. So schrieb er, vor allem seine politischen Artikel, vorsichtshalber im „Sydney Morning Herold“ unter dem Pseudonym „The Banjo“!
Er war auf einer Tour mit seiner damaligen Verlobten Sarah Riley und weiteren Bekannten erstmalig in Queensland. Sie besuchten im Advent des Jahres 1894 die Dagworth Station, 1890 von den MacPhersons erbaut. Mit der Tochter Christina MacPherson war Sara Riley befreundet. Eine Farm, die eine Flussverbindung zum Diamandina River hatte. Man nutzte auch das Combo Wasserloch, entstanden durch einen von Chinesen 1893 erbauten Damm. Hier erfuhr Patterson erstmals von den erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Schafzüchtern und Wollscherern, die 1891 und 1894 sogar zu Streiks führten. Die Notlage der Schafscherer, die außerhalb der Saison arbeitslos waren, erbitterte die Männer. Und brachte sie sogar dazu, einen Schafstall der MacPhersons abzubrennen.
Ausgangspunkt der Geschichte ist ein wiederholter Streik Burt MacPherson erzählte den aufmerksam lauschenden Gästen am Abend über das Leben im Outback von Queensland, über die Scherer, die Landstreicher, das Betrügen beim Rinderverkauf, über den Schafdiebstahl und wie die MacPhersons den Rädelsführer der „Aufrührer“, einen Deutschen namens Samuel Hoffmeister, jagten und an einem Billabong seine Leiche im Morast fanden. Da die Behörden 1000 Pfund Belohnung auf Hoffmeister ausgesetzt hatten, wählte dieser, als er die ihn suchende Truppe bemerkte, lieber den Freitod.
Natürlich zog die Gesellschaft am nächsten Tag zum Combo Waterhole. Ich kann mir ehrlich nicht vorstellen, dass Paterson an dieser trüben Pfütze, und dann noch durch die vielen Fliegen und einer ständig schnatternden Picknickgesellschaft abgelenkt, die Idee zu dem Song am See bekam.
Eher schon, weil er am Abend, bei Lammbraten und Scotch, der wohl äußerst attraktiven Farmertochter Christina imponieren wollte. Das Mädchen intonierte auf einer Zither eine alte schottische Weise (Thou bonnie wood o’ Craigielea). Banjo setzte sich zu ihr und improvisierte unter dem Einfluss des die beiden Tage Gehörten einen Text. Christina veränderte die Melodie ein wenig.
Paterson selbst sagte später darüber „Man hatte mir von den Auseinandersetzungen erzählt. Auch das man Dagworth niedergebrannt hatte und ein Mann gefangen wurde. Miss MacPherson spielte die kleine schottische Melodie und ich fand Worte dazu und nannte es Waltzing Matilda.“
Nirgendwo wird berichtet, wie der weitere Abend verlief. Doch der Kommentar „So entstand ein neues Lied und eine Verlobung fand ihr Ende“ sagt eigentlich alles.
Wir sind natürlich zum Wasserloch gefahren. Eine trübe Pfütze. Das große Schild „Campen Verboten“ schien die beiden Camper aber dort nicht zu stören. Den Swagman Trail um den „See“ sind wir nur 300 Meter gelaufen, dann zwangen uns die Fliegen, die sich von unseren Fliegennetze nicht stören ließen, zur Umkehr.
Das Lied kam erstmals im April 1895 zum öffentlichen Vortrag. So hatten Paterson und Christina MacPherson auch genügend Zeit an Text und Melodie noch zu feilen. Während eines Banketts im „North Hotel“ in Winton, zu Ehren des Premiers von Queensland, wurde der Song der Beiden mit „freundlichem Wohlwollen“ angehört.
Und das Lied wäre wohl heute vergessen, hätte nicht 1900 der Verlag Inglis & Co Ltd. im Auftrag eines Tee Produzenten (The Billy Tea Company) die Urheberrechte für 5 Pfund Sterling von Paterson gekauft. Mary Cowan wurde beauftragt, das Lied für Reklamezwecke „umzuarbeiten“. Sie änderte etwas an der Melodie und statt des Wassersack (Waterbag) hatte der Swagman jetzt einen Billy (Kessel) in dem Wasser kochte. Für Tee? Für was sonst? Natürlich war das Wort Billy bei der Werbekampagne schön herausgehoben.
Trotzdem! So entstand der australische Nationalhit.
Und es mögen all die schweigen, die sich über den Text, über die Umwandlung der Melodie lustig machen. „Waltzing Matilda“ wurde von den Australiern zum Kulturerbe erhoben. Ein Lied das erzählt von der Einsamkeit und der Not des Swagman. Und vom unbedingten Willen dieser Menschen, ihre Freiheit zu behalten. „Lieber tot als Sklave“, der Wahlspruch der friesischen Fischer, blieb auch der Wahlspruch der freien weißen Siedler in Down under. Wir hatten in Deutschland mal einen Spitzenschlager, der da lautete „Da, Da, Da“!
Das ist die allgemein übliche Version. Aber sie entspricht in Melodie und Text schon nicht mehr der Urfassung von 1895.
Ein so erfolgreicher und gleichzeitig „derart ungehobelter“ und erklärungsbedürftiger Song (nach Meinung der wohl auch neidischen Kritiker) provoziert gerade zu Um-, Neu- oder Nachdichtungen. Über 400 Versionen sind es bis heute.
Die Melodie im Ohr, den Text, damals nicht auswendig könnend, zum Teil nur summend, fuhren wir zurück auf den Highway und durch die triste Gegend weiter nach Winton. Unterwegs sahen wir, wie Arbeiter die toten Tiere von der Strasse einsammelten.
Winton ist eine saubere Outback Stadt, die natürlich die Gunst der Stunde nutzte und sich als Geburtsplatz zweier australischer Institutionen bezeichnet. Die nationale Fluglinie Qantas und die heimlichen Nationalhymne „Waltzing Matilda“.
Im „Waltzing Matilda Centre“ wird an die Entstehung des Liedes erinnert, es gibt eine Ausstellung regionaler Outback Kunst. Eine weitere Abteilung erzählt vom Leben der Pioniere in der Gegend. Eine Hommage an australische Denkweise und Lebensweise. Und richtig schreibt man, dass hier die Historie nicht nur eine Sache der Vergangenheit ist!
Man möge es mir verzeihen, aber ich denke bei Winton immer an das herrliche Outback Steak, das wir in der Gaststätte des Centre zu Mittag bestellt hatten. Der Ort ist schöner, freundlicher und sauberer als Cloncurry. Wie immer versuchen die Aussies Ikonen zu erstellen. Und genauso komisch wie „The Big Banana“ in Coffs Harbour und „The Big Pineapple“ in Nambour ist „The Big Deck Chair“ in Winton. Ein Liegestuhl in dem Abmessungen 7 Meter lang, 5 Meter breit und ohne Leiter nicht zu ersteigen.
OzBus Reporter
Isabelle Hiestand unterwegs mit dem OzBus von London nach Sydney. Sie berichtet täglich aus dem OzBus.